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17.4.2024

Gar nicht so einfach: Trauerfeiern und Familiensysteme

Wenn wir mit dem Tod einer oder eines unserer Liebsten konfrontiert werden, dann wirft das erst einmal eine ganze Menge von Plänen über den Haufen. Egal, ob uns der Verlust in der Familie trifft oder unter unseren Freunden.

Klar, wir sind zum einen mit unserer eigenen Endlichkeit konfrontiert, wir rücken auf, keiner ist mehr vor einem und das erschreckt uns. Aber ganz oft werden wir schon bei der Planung der Trauerfeier durch ungelöste Familienthemen gefordert: die Geschwister sind über Kreuz, die Tante mag die Cousine nicht und manche sprechen schon seit Jahren nicht mehr miteinander. Ganz deutlich zeigt sich, dass die Menschen, die uns umgeben, nicht nur Individuen sind, sondern Teile unseres Familienverbundes, unseres engsten Freundeskreises. Relativ schnell wird klar, dass durch den Verlust eines Menschen auch Stabilität – manchmal sogar nur eine Duldungsstarre („Darüber spricht man nicht.“) – verloren gegangen ist. Die Familie muss eine neue interne Balance finden – und oft beginnt dieser Prozess sogar schon, wenn die Eltern alt sind und die Aufgaben in der Familie neu verteilt werden.

Wie gehe ich als Trauerrednerin damit um, wenn ich schon beim ersten Gespräch den „Elefanten im Raum“ bemerke, d.h. wenn ich spüre, dass der Umgang unter den Familienmitgliedern nicht unbefangen ist, dass etwas übergangen oder verschwiegen wird?

Sachfragen bringen mir Sachantworten. Schon vorbereitete Lebensläufe spreche ich aus gutem Grund mit den Angehörigen gemeinsam durch. Die für mich aufgelisteten Daten und Fakten sind zweifellos sachlich richtig, aber eben ganz oft ohne Emotion. Und gerade die spielt für einen so einschneidenden Abschied im Leben der Hinterbliebenen und der Freunde eine vielgrößere Rolle als Daten und Fakten. Geschichten aus dem Leben geben mir Auskunft über die Beziehungen im Familiensystem, so komme ich im Gespräch von der Sachebene auf die Beziehungsebene. Allerdings gibt es auch seltene Fälle, in denen es keine Beziehungen zum Verstorbenen gibt, dann bleibt es bei den Fakten.

Im Gespräch vor der Trauerfeier sind wichtige Fragen zu klären:

-  Wer nimmt teil? (Fast noch wichtiger: wer nimmt NICHT teil?)

-  Mit wem sollte man vorher telefonieren?

-  Wer gehört noch zur Familie?

-  Zu wem besteht u.U. eine konflikthafte Beziehung?

Dabei habe ich ein offenes Ohr für Beziehungen und die lauten und leisen Zwischentöne, ohne schwierige Themen indiskret zu vertiefen. Schlussendlich geht es um die Würdigung von Beziehungen, egal ob einfach oder kompliziert und Einzelheiten einer schwierigen Beziehung gehören nicht in die Öffentlichkeit einer Trauerfeier.

Der Tod begründet Beziehungen – so auch zwischen den Hinterbliebenen und mir als Trauerrednerin. Nicht selten erzählen mir die Familienmitglieder ganz ungefragt von den Umständen des Todes. Für sie bedeutetes die Entlastung von den noch frischen Eindrücken, das Sterben miterlebt zuhaben. Oft ist schon der Raum, den die Angehörigen in unserem Gespräch bekommen schon heilsam und tröstend.

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